Verstärkt bauen Unternehmen mit neuen, agilen Organisationsmodellen komplette Bereicheum.
Doch was steckt hinter dem Spotify-Modell oder Pads, was taugen diese neuen Organisationsformen? Wir geben einen Überblick und teilen Erfahrungen.
Unternehmen müssen schneller agieren und reagieren. Längst ist die liebe alte Bürokratie und mit ihr auch die starre Hierarchie als Feindin des Fortschritts und Verhinderer schnellen Wandels erkannt. Die Lösung sind neue Organisationsmodelle.
Seit sieben Jahren bilden wir als First-mover nun schon rund um die agile Teamentwicklung und Organisationsentwicklung aus. Besuchten am Anfang noch wenige Teilnehmende mit konkreten Erfahrungen in neuen und agilen Organisationsmodellen unsere Kurse, hat sich der Erfahrungshorizont inzwischen deutlich erweitert. Mit dieser Verbreitung füllt sich unser Koffer weiter mit Beispielen, Bestätigungen von Hypothesen, aber auch Widerlegungen.
Naturgemäß folgen im Schlepptau mehr Rückmeldungen zu dem, was funktioniert, was nicht funktioniert und zu konkreten und typischen Herausforderungen.
Wir möchten hier einen Überblick über neue Organisationsmodelle geben und von Erfahrungen berichten.
Kreisorganisationen und Zellkulturen
Neue Organisationsmodelle orientieren sich an einem Aufbau in Kreisen und Netzwerkstrukturen.Oft ist auch von Zellen die Rede. Diese sind “selbstorganisiert” oder besser selbstverwaltet — haben also keine klassische Führung, sondern steuern sich selbst, weitestgehend autonom in ihren Prozessen.
Dabei orientiert man sich an biologischen Organismen und Prinzipien. Zellen arbeiten ja auch autonom, aber können nicht ohne die anderen. Sie sterben ab und bilden sich neu. So ist auch eine organisatorische „Zellteilung“ angesagt, wenn eine Zelle zu groß wird. Der passende Begriff dazu ist “Zellstrukturdesign”.
Pfirsichmodell
Die Kreise und Zellen sind startup-artige Einheiten, die miteinander verzahnt am Kunden und der Wertschöpfung ausgerichtet sind. Ein frühes, fast schon historisches Beispiel ist das Pfirsichmodell nach Niels Pfläging, über das ich in meinem persönlichen Blog bereits 2014 geschrieben habe, ein Jahr vor der Gründung von Teamworks. Im Pfirsichmodell gibt es einen Kern, der wie ein Dienstleistungszentrum für die am Markt agierenden Einheiten agiert.
Kollegiale Führung und Kreisorganisation
Den Begriff Kreisorganisation verwenden auch Bernd Österreich und Claudia Schröder, die den Blick immer auf kleinere und mittlere Organisationen gelenkt haben, weniger auf Konzerne. Diese Bemerkung finde ich insofern wichtig, als hier in allen Modellen die größte Herausforderung steckt. Es ist einfach möglich in einer Agentur so zu arbeiten, jedoch gibt es im Konzern einen Haufen Prozesse, Regelungen, Vorschriften… und natürlich oft deutlich langjähriger etablierte und auch festgefahrene Strukturen, vor allem auch Kommunikationsstrukturen.
Österreich & Schröder propagieren in ihren Werken eine iterative und agile Form der Organisationsentwicklung, ohne dabei ein spezielles und in dem Sinn neues Organisationsmodell zu propagieren. Sie gehen vielmehr über den soziokratisch geprägten Gedanken der kollegialen Führung ins Rennen im Wettbewerb um Konzepte zum organisationalen Aufbau.
Ihre Vorgehensweise ähnelt der systemisch-komplementären Schleife nach Königswieser, nutzt aber andere Metaphern. Auf der Website der beiden Autoren finden sich zahlreiche gute Erklärungen und vor allem auch in CC-Lizenz verwendbare Bilder.
Unsere Erfahrung mit diesen neuen Organisationsmodell:
Neue Organisationsformen nach Pfläging werden, so hören und sehen wir, typischerweise dogmatisch und radikal eingeführt. Anfangs war ich da ob dieses, nun ja Zerschlagungs-Modus kritisch, mittlerweile sehen wir, dass es sinnvoll sein kann, mit den bisherigen Strukturen zu brechen. Denn das “Alte” ist unglaublich beharrlich, es lässt sich fast nur durch eine ausgemachte Krise verdrängen… und, nicht überraschend, auch von Corona und Homeoffice.
Gleichwohl ist das „Alte“ auch dort resistent gegen Veränderung. Manchen, die in einer Kreisorganisation arbeiten, ist das selbst oft gar nicht (mehr) bewusst.
Das heißt aber nichts, denn eins muss klar sein: Ums Wohlbefinden geht es bei all’ dem primär nicht. Eine zeitweise Verschlechterung des Arbeitsklimas und der Austausch eines Teils der Belegschaft gehört dazu (und ist durchaus gewünscht). Denn: Strukturelle Änderungen sind der einzige Weg für größere Veränderungen und auch um einen gewissen Ballast an Beharrungskräften “loszuwerden”.
Squads & Pods und von Indianern lernen
Sehr beliebt bei Konzernen und vor allem im Finanzbereich ist das so genannte Spotify-Modell. Das ist ein Organisationsmodell, das das schwedische Musikunternehmen 2014 im Internet veröffentlicht hat. Selbst arbeitet er in einer sich ständig anpassenden Organisationsform und sich davon weg entwickelt.
Warum ist es so beliebt gerade in hierarchiegeprägten Umfeldern? Zu vermuten ist, dass es die klare und geordnete Struktur ist, die viele anzieht. Das Modell ist supergut von Rik van der Wardt beschrieben, weshalb ich mir hier eine eigene Beschreibung sparen. Für große Organisationen hat es Rick Lang hier beschrieben. Spannend ist auch der Unterschied zu SAFe, hier beschrieben — Scaled Agile Frameworks. Dies ist ein auf Bereiche oder Organisationen skaliertesScrum.
Die ursprüngliche Darstellung findet man z.B. noch bei Youtube, etwa Henrik Kniberg, der mal für Spotify gearbeitethat.
Pod-Struktur
Die Pod-Struktur ist auch den Zellen angelehnt und eigentlich kein neues Organisationsmodell, denn es ist zum Beispiel bei Google schon länger bekannt, wohl aber nicht im deutschen Mittelstand. Dort scheinen sich die Pads vor allem im Bereich Vertrieb und Marketing oder bei Agenturen zu etablieren. Die Struktur ist schneller und flexibler aufzusetzen, alles was man braucht sind Leader, Team und Rollen… Nun ja, aber der Teufel steckt natürlich im Detail der Zusammenarbeit. Eine Rolle einzustudieren und diese zu verkörpern ist eben nicht mal so nebenbei gemacht.
Auch hier zeigt sich: Es geht nicht um das neue Organisationsmodell, sondern die Umsetzung. Hier finden Sie einen Fallbericht. Die Struktur erklärt dieser englischsprachigeBlog.
Unsere Erfahrung:
Die neuen Organisationsformen nach Spotify sind beliebt in kulturell „blauen“ Systemen. Dort ist oft eine stark hierarchische Struktur, die kaum ein neues Modell aufzubohren ist. Hier zeigt sich auch, dass es nicht um das Modell, sondern um die konsequente Einführung und vor allem auch Begleitung in den Rollen geht. Es reicht nicht, einen Bereichsleiter nun Chapterlead zu nennen. Das ist ein wenig als würde man im Karneval dem Manager einen Häuptlingsfederschmuck aufsetzen – es bleibt der Manager, den man kennt. Das systemische Prinzip „Rang vor Rolle“ setzt sich schnell durch. Darüber hinaus erleben wir oft eine Rollenverwirrung, was eigentlich der agile Coach macht, was der Scrum Master und was der Agile Leader…
Holakratie
Diese Form ist auch schon fast kein neues Organisationsmodell mehr und hat wahrscheinlich seine besten Zeiten hinter sich. Ich schrieb bereits 2015 darüber, damals hatte ich noch so meine Probleme mit Brian Robertson Zitat „Differentiate Role und Soul“, inzwischen sehe ich das etwas anders. Es ist der Kern der Rollenkonzepte. Man muss eine Rolle so gestalten, dass sie für sich stehen kann. Das ist erforderlich – aber eben auch schwierig, weil wir Menschen sind und im anderen eben immer nicht nur seine Rolle erkennen.
Unsere Erfahrung:
Es ist still geworden. In unseren Kursen sitzen mehr und mehr Menschen, die Holakratie erlebt haben und immer öfter war das Teil einer Reise, die danach anders weiterging. Ich habe keine einzige Organisation erlebt, die über Jahre bei der Holakratie blieb. Häufiges Feedback: Das, was man verhindern wollte, wurde erzeugt – Bürokratie.
Wir freuen uns über Ihre Erfahrungen, die Sie gern hier posten und teilen können.
Mehr erfahren? In unseren Seminaren und Ausbildungen legen wir Wert auf Aktualität und Austausch über Erfahrungen. Unser Terminkalender.